Nach dem Brandunfall 1986 im Chemieunternehmen Sandoz im Großraum Basel, bei dem große Mengen mit Chemikalien verunreinigten Löschwassers in den Rhein flossen, hat die IKSR zusammen mit der Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (KHR) im Auftrag der 7. Rheinministerkonferenz ein Rhein-Alarmmodell (auch Rheinfließzeitmodell) für den Rhein und seine wichtigsten Nebenflüsse entwickelt. Das Modell kann bei plötzlichen Schadstoffeinleitungen den Verlauf der entstehenden Schadstoffwelle vorherberechnen und hat sich seit dem Sandoz Störfall bei einer Vielzahl weiterer stoßartiger Verunreinigungen als unverzichtbares Instrument im Rahmen des internationalen Warn- und Alarmplans (IWAP) Rhein bewährt.
Im Rahmen des IWAP sind gute Vorhersagen plötzlicher Schadstoffwellen von großer Bedeutung für die rechtzeitige Umsetzung der richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt. Solche Maßnahmen sind z.B. das Einstellen der Rohwasserentnahme durch die Trinkwasserwerke am Rhein oder das Errichten von Ölsperren im Rhein bzw. seinen Nebenflüssen durch Feuerwehr oder Zivilschutz. Das Rheinfließzeitmodell wird von den internationalen Hauptwarnzentralen, den nationalen Warnzentralen, den Warnzentralen der deutschen Bundesländer sowie schließlich von den diese Zentralen beratenden Institutionen (z. B. Messstellenbetreiber) und den Trinkwasserwerken zur Vorhersage der Stoffausbreitung einer plötzlichen Wasserverunreinigung eingesetzt.
Im Rheinfließzeitmodell wird der Rhein vom Bodensee bis zur Nordsee nachgebildet. Neben dem Hauptfluss werden auch die Nebenflüsse Aare (entwässert den größten Teil der Schweiz), Neckar, Main und Mosel mathematisch modelliert. Das Modell wurde mit Hilfe von speziellen für Wasserlebewesen unschädlichen Farbstoffen (Tracer), die in die Flüsse eingeleitet wurden und in sehr geringen Konzentrationen noch gemessen werden, geeicht. In das Modell eingespeist werden im Bedarfsfall Ort, Zeit und Menge der Verunreinigung, das Abbauverhalten von Stoffen, ggf. die Schwimmfähigkeit der Stoffe (wie z. B. für Öle, Diesel, Benzin), die Abflüsse und/oder die Wasserstände der Flüsse.
Das Modell berechnet dann für die Flussstelle, die man beobachten will, die Konzentration eines Stoffes in Abhängigkeit der Zeit, den Zeitpunkt, an dem der Höhepunkt der Schadstoffwelle die beobachtete Stelle durchläuft und den Verlauf der Schadstoffwelle von der Einleitungsstelle bis in die Nordsee. Das Modell kann nicht nur den Verlauf einer Schadstoffwelle in Fließrichtung des Flusses, sondern auch die Ausbreitung der Schadstoffwolke über die Flussbreite vorherberechnen. Es kann außerdem für ausgewählte Zeitschritte (in der Regel einen Tag) berechnen, wo sich die Welle im Flussgebiet befindet. Bei Bedarf kann durch eine Animation der Verlauf der Verunreinigungswelle vom Ursprung der Einleitung bis zur Nordsee veranschaulicht werden. Der Verlauf der Schadstoffwelle kann mit etwa 98 % Genauigkeit vorhergesagt werden.
Das Rheinfließzeitmodell wurde übrigens als Basis für die Erstellung vergleichbarer Modelle für die Donau und die Maas genutzt.
Derzeit laufen die Vorbereitungen für ein neues bzw. aktualisiertes Rheinfließzeitmodell, welches bis 2027 vorliegen soll.